Freitag, 6. Februar 2015
"Isdal Woman" - eine moderne Sage?
Nachdem mich 2 interessante Artikel zu dem Thema neugierig gemacht hatten ... habe ich versucht ein bisschen zu recherchieren und will mal zusammenfassen, was ich gefunden habe - und was nicht.

Bei wikipedia wird Bezug auf ein Buch genommen ... welches aber ein Roman zu sein scheint. Via google-translate erfährt man - etwas holprig zwar - Folgendes:

[...] Sowohl NCIS, POT, militärischen und Botschaften, Interpol, der Geheimdienst und die CIA in den Fall verwickelt. [...] Der Roman basiert auf dokumentarischem Material aus der Untersuchung und Interviews mit Polizisten und andere, die den Fall gefolgt basiert, ist Teilen der Untersuchungsdaten identisch [...] Die Ereignisse werden in der dramatischen weltpolitischen Bedingungen, die zu der Zeit zwischen Ost und West entfaltet gesetzt.

Schwierig also, einzuschätzen was davon Dichtung ist und/oder Wahrheit - ich vermute, dass die Dichtung überwiegt. Womöglich sogar stark. Das Buch scheint jedenfalls nicht sehr verbreitet zu sein. 2002 ist es erschienen und wer versucht etwas im Internet zu "Isdalskvinnen" oder "Isdal Woman" vor diesem Datum zu finden - der findet sogut wie nichts.

Isdal Frau bezeichnet eine [Frau] die 1970 am Eingang zum Death Valley gefunden wurde. Die Frau wurde nie identifiziert und es wurde auch nie festgestellt wurde ob sich um Mord oder Selbstmord handelte.

Auch "død kvinne 1970" ("tote Frau 1970") oä. bringt nicht mehr zutage - zum Vergleich: Sucht man bei google zB. nach "Uwe Barschel" vor 2002 - man findet massenhaft Material. Weitere Quellenangaben bei wikipedia verweisen auf nur 2 verschiedene Printmedien und sind auf ihren Inhalt hin nicht überprüfbar. Die ersten 9 sind alle im Dezember 1970 in der "Verdens Gang" erschienen, bei der es sich um ein norwegisches Boulevard-Blatt - vergleichbar mit der BILD-Zeitung handelt. Die nächsten Quellen sind dann von 1995 - wahrscheinlich deshalb, weil in Norwegen nach 25 Jahren nicht weiter ermittelt wird. Und die nächsten Quellen dann sind von 2002 - als das Buch veröffentlicht wurde. Keine einzige Quellenangabe zwischen 1971 und 1995, - noch schlimmer in der englischen Version des Artikels - dort gibt es nur klägliche 5 Quellenangaben - alle nach 2002 entstanden.

Es gibt mir auch zu denken, warum es die Notizen aus dem Eingangsartikel nicht als Faksimile gibt ... diese lassen sich zwar teilweise in Einklang zu den Aufenthaltsorten - die angeblich ermittelt wurden - bringen (als Quelle für diese Liste wird im norwegischen wikipedia-Artikel "A-magasinet, 19. november 2010" genannt, wieder nichts was man einfach so prüfen könnte). Aber da das Transkript der Notizen ja direkt vom Romanautor kommt - kann das Alles und Nichts bedeuten.

Jedenfalls ist die Geschichte sehr dünn - das Einzige, was sich prüfen lässt: Es hat mal Zeitungsartikel über eine unbekannte Frauenleiche gegeben ...



Gross genug, um ihre Existenz zu belegen aber zu klein um ihren Inhalt zu ergründen. Was nicht heissen muss, dass es so wie beschrieben nicht stattgefunden haben kann - nur überprüfen lässt es sich nicht. Wenn es sich wirklich um einen der mysteriösesten norwegischen Kriminalfälle handelt - bei dem sogar Interpol ermittelt haben soll - würde man einfach erwarten, dass man mehr Greifbares dazu findet - auch wenn es schon lange her ist.

In dem Zusammenhang ist übrigens oft von Ähnlichkeiten zum Fall des Somerton-Mann die Rede. Aber wenn man genauer hinsieht, ist dort Alles ganz anders - vor allen Dingen was die Quellenlage anbetrifft. So gibt es dort u.a. ein Photo des Toten, ein Faksimile seiner cryptischen Notizen und ein Photo seines Grabes und Originaldokumente von 1948 (!) - um mal nur ein paar Beispiele zu nennen.

Meine Vermutung: Die "Verdens Gang" hat das Ganze 1970 ziemlich aufgebauscht und wild spekuliert, 1995 ist der Buchautor dann durch die erneuten Artikel über das Thema gestolpert und hat einen Roman draus gemacht. Und alles was später veröffentlicht wurde, bezog sich dann auf das Buch ohne die Fakten nochmal zu überprüfen.

Auch inhaltlich findet sich an der Story so manch Merkwürdiges: So soll die Leiche Ende November 1970 gefunden worden sein - die Beisetzung aber erst Anfang Februar 1971 stattgefunden haben. Ein Photo auf dem die Beerdigung zu sehen sein soll zeigt einen - subjektiv betrachtet - hochwertigen Sarg, ein würdevolles Begräbnis - die Bestattung erfolgte dann aber in einem anonymen Grab, nichtmal ein Holzkreuz? Das Photo soll laut dem Artikel sechs Polizisten zeigen, die den Sarg tragen - die Photos seien angefertigt worden für Verwandte, falls man später noch welche finden sollte. Aber kein Grabstein, nichtmal ein Holzkreuz? Der örtliche Zeichner der Phantombilder Audun Hetland hat hauptsächlich Karrikaturen gefertigt, wie eine kurze Bildersuche zeigt. Hätte Interpol nicht später neuere, detailliertere Phantombilder zeichnen lassen für eine internationale Fahndung?

Nun gut, das liese sich noch endlos so fortsetzen - alles in Allem:
Ich bin das Gegenteil von "überzeugt", dass die Geschichte "drumrum" so stimmt. Könnte aber gut sein, dass sich der Buchautor vom Somerton-Mann hat inspirieren lassen (kurz vorm Tod Gepäckstück in Schliessfach deponiert, keine Schildchen in den Kleidungsstücken, "mysteriöse" codierte Notizen ...). Es gibt übrigens noch ein Phantombild welches wohl 2002 oder 2003 der Comiczeichner Mike Collins gefertigt hat. Hübsch ist es ja.